Mein Weg zum ersten 70.3
Der Kontext: Vom Laufproblem zum Triathlon-Projekt
Am Anfang stand keine große Triathlonvision, sondern ein Problem: Beim Laufen war mein Knie überlastet. Klar war: Wenn ich langfristig Ausdauertraining machen will, brauche ich eine Sportart, die das Knie entlastet.
Ich habe mich deshalb entschieden, mir im Sommer Kraulschwimmen selbst beizubringen – als gelenkschonende Ergänzung zum Laufen. Um die Motivation hochzuhalten, habe ich das direkt als gemeinsames Projekt mit einem Freund aufgesetzt: Wir wollten zusammen schwimmen lernen, uns gegenseitig Feedback geben und dranbleiben.
Aus dieser Phase ist dann die Idee entstanden, einen Schritt weiterzugehen und eine Triathlon-Mitteldistanz (70.3) ins Auge zu fassen – als klar definiertes Ziel, auf das sich das Training ausrichten kann.
Der Prozess: Technikphase, Grundlagen und adaptive Planung
A. Schwimmen lernen – aber strukturiert
Kraul konnte ich zu Beginn gar nicht. Damit das kein chaotisches Herumprobieren wird, habe ich das Thema bewusst strukturiert aufgezogen:
- Theorie-Input: Technikvideos und Artikel, um zu verstehen, wie ein sauberer Kraulzug aufgebaut ist (Körperlage, Beinschlag, Zugphase, Rückholphase, Eintauchen, Atmung).
- Zerlegung in Teilfertigkeiten: Jeweils eine Woche Fokus auf einen Baustein – zuerst nur Beinschlag, dann Zugphase, dann Rückholphase, dann Eintauchen, ergänzt durch Technikübungen.
- Feedback-Schleifen: Gegenseitiges Feedback mit meinem Freund im Schwimmbad sowie gezielte Tipps von erfahrenen Schwimmer:innen und einer Bademeisterin mit Vereinserfahrung.
Der erste Meilenstein war, mehr als 50 m am Stück sauber kraulen zu können und zu merken: Die Technik trägt – nicht nur der Wille.
B. Entscheidung für die Mitteldistanz & Grundlagenwissen
Als das Schwimmen auf einem soliden Level war, haben wir den nächsten Schritt gemacht: Wir haben uns für eine Triathlon-Mitteldistanz (1,9 km Schwimmen, 90 km Radfahren, 21,1 km Laufen) angemeldet.
Die Auswahl des Wettkampfs war bewusst pragmatisch:
- Ort in der Nähe meiner Heimat – logistisch einfach, Unterkunft vorhanden, Strecke teilweise bekannt.
- Termin im Sommer, etwa ein halbes bis dreiviertel Jahr entfernt – genug Vorbereitungszeit, aber nah genug für Fokus und Druck.
Um das nicht „irgendwie“ anzugehen, habe ich mir Literatur zu Triathlon- und Ausdauertraining besorgt und die Grundlagen gelernt:
- Wie strukturiert man ein Trainingsjahr?
- Welche Leistungsfaktoren spielen eine Rolle (Ausdauer, Kraft, Schnelligkeit, Koordination, Beweglichkeit)?
- Wie funktionieren Belastungssteuerung, Regeneration und Progression?
C. Grober Rahmenplan & Wochenplanung
Mein erster Ansatz war, den kompletten Zeitraum bis zum Wettkampf durchzuplanen. Relativ schnell wurde klar: Das frisst viel Zeit und der reale Alltag hält sich nicht an starre Pläne. Deshalb habe ich das Konzept auf zwei Ebenen umgestellt:
- Makro-Ebene: Grober Rahmen mit etwa neun Einheiten pro Woche; jede Disziplin mindestens zweimal; Phasen mit Technikfokus, Grundlagenaufbau, Intensität und Wettkampfvorbereitung.
- Mikro-Ebene: Konkrete Planung jeweils nur für die nächste Woche – angepasst an Job, Energielevel und aktuelle Fortschritte.
Ein zentrales Prinzip aus dieser Phase: Konstanz schlägt Spontan-Hero-Aktionen. Also lieber fast jeden Tag etwas tun, statt zwei Tage gar nichts und dann alles „nachholen“ zu wollen.
Die Umsetzung: Hürden meistern, Ernährung testen und Zielanpassung
A. Motivation & Rahmenbedingungen
Natürlich lief nicht alles glatt: Laufen bei 1 °C und Regen, Schwimmen trotz Müdigkeit, lange Radausfahrten bei schlechtem Wetter – das sind Momente, in denen der innere Schweinehund lauter wird.
Was geholfen hat:
- Trainingseinheiten als feste Termine zu behandeln – nicht als spontane Option.
- Der gemeinsame Weg mit meinem Freund – gegenseitige Motivation wie ein kleines Team.
B. Drei Disziplinen, drei Welten – plus Ernährung
Triathlon bedeutet nicht nur „dreimal Sport“, sondern auch sehr unterschiedliche Logiken: Technik, Training und Belastung sind beim Laufen, Schwimmen und Radfahren jeweils anders. Dazu kommen Wechselzonen und die Ernährung über längere Belastungszeiten.
Statt mich nur auf Triathlonbücher zu verlassen, habe ich gezielt Expert:innen je Disziplin einbezogen:
- Laufcoaches und erfahrene Läufer:innen für Technik und Umfangssteuerung
- Schwimmer:innen und Vereinsaktive für Effizienz im Wasser
- Radsportaffine für Sitzposition, Pacing und Streckenstrategie
Die Ernährung war ein eigenes Thema, insbesondere in Verbindung mit dem Laufen. Ich hatte immer wieder Magen-Darm-Probleme, wenn ich zu kurz vor der Einheit oder das Falsche gegessen hatte.
Mein Ansatz:
- Buch zur Sporternährung besorgt und Grundlagen verstanden.
- Eine Freundin mit Ernährungsexpertise gezielt um Empfehlungen gebeten.
- Systematisch getestet: Was esse ich wann vor dem Training? Welche Produkte und Mengen funktionieren während längerer Belastungen?
Ziel war, beim Wettkampf nicht zu improvisieren, sondern ein getestetes Ernährungssetup zu haben.
C. Benchmarks & Anpassung der Zielzeit
Um nicht „blind“ in Richtung einer Zielzeit zu trainieren, habe ich monatlich Benchmarks eingeplant:
- Testeinheiten in jeder Disziplin
- teilweise Kombinationen wie Rad plus kurzer Koppellauf
- Abgleich: Wo stehe ich im Vergleich zu meiner Wunsch-Zielzeit?
Die ursprüngliche Zielzeit lag bei 5:00 Stunden – inspiriert von einem Bekannten, der diese Marke knapp verpasst hatte. Mit der Zeit wurde klar: Für einen ersten 70.3 ist das extrem ambitioniert.
Statt stur daran festzuhalten, habe ich die Zielzeit bewusst auf 5:30 Stunden angepasst:
- immer noch herausfordernd,
- aber realistischer,
- besser für die Motivation, weil das Ziel erreichbar bleibt.
Die 5:00 h blieben als Stretch Goal im Hinterkopf – aber nicht als starre Vorgabe.
Das Ergebnis: Wettkampf, Zieleinlauf und Learnings
A. Schwimmen (1,9 km)
Der Wettkampf selbst war noch einmal eine ganz andere Situation: Freiwasser statt Pool, Neoprenanzug, viele Menschen gleichzeitig auf engem Raum. Trotzdem hat die Technikarbeit getragen: Ich hatte mit etwa 40 Minuten gerechnet und war am Ende mit rund 36 Minuten deutlich schneller.
B. Radfahren (90 km)
Die Wechsel hatten wir vorher geübt, auch wenn sie im Training nicht den größten Anteil hatten. Im Wettkampf haben sie reibungslos funktioniert. Beim Radfahren hat sich ausgezahlt, dass ich die Strecke vorher abgefahren hatte:
- Ich wusste, wo sich Druck lohnt und wo Kraftsparen sinnvoll ist.
- Ich konnte Pacing und Ernährung entlang der Strecke besser planen.
Das Radfahren hat richtig Spaß gemacht und war ein großer mentaler Boost für den Rest des Rennens.
C. Laufen (21,1 km)
Das Laufen war die letzte große Unbekannte: Im Training war ich Halbmarathons eher in Richtung 6:00 min/km gelaufen. Im Wettkampf lag ich ungefähr bei 4:45 min/km.
Entscheidend war, auf Körpersignale zu achten:
- Als die Wade leicht zugezogen hat, bin ich bewusst etwas langsamer geworden.
- Als es sich wieder gut angefühlt hat, bin ich zurück in meinen Rhythmus und habe das Tempo „rollen lassen“.
So konnte ich das Tempo über die gesamte Distanz stabil halten.
D. Zieleinlauf & Gesamtzeit
Am Ende bin ich mit einer Gesamtzeit von 5:04 Stunden durchs Ziel gelaufen:
- schneller als das angepasste Ziel von 5:30 h,
- nur knapp über dem ursprünglichen Stretch-Goal von 5:00 h.
| Metrik | Plan / Erwartung | Tatsächliches Ergebnis |
|---|---|---|
| Gesamtzeit | Ziel 5:30 h (Stretch: 5:00 h) | 5:04 h |
| Schwimmzeit | ca. 40 Minuten erwartet | schneller, ca. 36 Minuten |
| Ernährung | Ursprünglich unsicher | Getestetes Setup, keine Magen-Darm-Probleme im Rennen |
| Training | Hohe Konstanz angestrebt | Regelmäßiges Training mit klaren Wochenstrukturen und Benchmarks |
E. Wichtigste Learnings
Aus dem Projekt Triathlon nehme ich vor allem drei Dinge mit:
- Strukturiertes Selbstlernen funktioniert – wenn man es richtig aufsetzt: Literatur, Zerlegung in Teilfertigkeiten, Feedback von außen.
- Konstanz + Benchmarks schlagen starre Perfekt-Pläne: lieber fast täglich sinnvolle Einheiten als unregelmäßige „Hero-Tage“.
- Disziplin und Flexibilität gehören zusammen: Training konsequent durchziehen, aber Pläne anpassen, wenn Körper, Alltag oder Daten es nahelegen.
Für mich ist dieser Triathlon weniger nur ein sportlicher Erfolg, sondern ein Beispiel dafür, wie ich aus einem Problem (Knieüberlastung) ein Projekt mache, mir neues Wissen aneigne, einen Plan entwerfe, ihn konsequent verfolge, unterwegs lerne und nachsteuere – und am Ende ein Ergebnis erreiche, das sogar über der angepassten Erwartung liegt.